Am 8.5.2014 stellten die Referenten die aktuellen Themen der Wiesbadener Bürgerinitiative gegen Privatisierung vor.
Hans-Georg Heinscher: PPP – Hintergründe und die Folgen für Kommunen
Das Logo der Bürgerinitiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt – Privatisierung stoppen!“ stammt aus der Straßenverkehrsordnung und zeigt das Schild „Vorfahrtstraße“ – mit einem freundlichen Lächeln. „Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass Privatinteressen zurück zu stehen haben, damit das Gemeinwesen zum Wohle aller funktionieren kann“, erläutert Sprecher Heinscher bei der Vorstellung im vollbesetzten Saal des Georg-Buch-Hauses. „Öffentliche Daseinsvorsorge bedeutet, dass der Staat Leistungen bereitstellt und garantiert, die der Einzelne – besonders der hilfsbedürftige Teil der Gesellschaft – nicht selbst erbringen kann und die zum geordneten Fortbestand des Gemeinwesens unerlässlich sind.“ Öffentliche Güter und Dienstleistungen seien Gemeineigentümer, auf die alle Menschen einen Anspruch haben und die allen gleichermaßen zugänglich sein müssten. Dass sich der Staat und die Kommunen um die Daseinsvorsorge zu kümmern habe, folge aus dem Sozialstaatsgebot und aus den so genannten „objektiven Schutzpflichten“ des Staates. (Der gesamte Beitrag siehe unten)
Philipp Jacks: Legitimationskrise der Demokratie auf die Spitze getrieben
Der Wiesbadener DGB-Vorsitzende Philipp Jacks führte aus, dass der DGB die seit den achtziger Jahren betriebene „Verscherbelung“ öffentlichen Eigentums scharf kritisiere. „Privatisierungen nutzen nur einer sehr kleinen Interessensgruppe – alle anderen zahlen drauf und bekommen dafür schlechtere Leistungen, das haben verschiedene Studien belegt.“ Auch für die Volkswirtschaft sei es schädlich, wenn aufgrund niedriger Löhne in privatisierten Betrieben die Kaufkraft sinke. Und auch die Demokratie nehme Schaden bei dieser Entwicklung: „Investoren bekommen immer mehr Gestaltungs-möglichkeiten, während die gewählten Volksvertreter nur noch an der Spitze eines handlungsunfähigen und verarmten Gemeinwesens zusehen, wie der Markt die Regeln bestimmt. So wird die Legitimationskrise der Demokratie auf die Spitze getrieben.“
Bernd Meffert:
Ruinöser Wettbewerb mit Arbeitsverdichtung im ÖPNV
Bernd Meffert, ehrenamtlicher Bezirksvorsitzender von ver.di Wiesbaden-Limburg analysierte die Situation des Wiesbadener ÖPNV nach der Zerschlagung der Stadtwerke Wiesbadern AG (ESWE). Der Anteileverkauf an die Thüga habe zum Stellenabau bei ESWE Versogung geführt. So sei die Belegschaft innerhalb von zwölf Jahren halbiert worden. Dies gehe hauptsächlich zu Lasten der Beschäftigten in den Werkstätten und Betriebsdiensten. Durch die mit den hessischen Vergabeerlassen verbundene Regulierung im ÖPNV, sei es zum ruinösen Wettbewerb mit Lohndumping und Arbeitszeitverdichtung gerade beim Fahrpersonal gekommen. "Nur durch eine ausreichende und gesicherte Finanzierung durch Bund und Länder lasse sich weiteres Lohndumping verhindern und der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden."
Bodo Kaffenberger:
Qualitätsverlust der städtischen Kliniken nach Teilprivatisierung
Bodo Kaffenberger, Sprecher dier Initiative für eine kommunale HSK, führte aus, welchen erheblichen Qualitätsverlust die städtischen Kliniken seit dem Teilverkauf an die Rhön AG durch die Abwanderung hoch qualifizierter Chefärzte und ihrer Teams erleide. Folgen der Teilprivatisierung seien außerdem Arbeitsverdichtung, die Auslagerung von Arbeitsplätzen zu schlechteren Bedingungen und insgesamt ein Absinken der Pflegestandards.
Brigitte Forßbohm:
PPP Projekt Stadtmuseum – Fragen und Perspektiven
Zum Schluss ging Brigitte Forßbohm, Historikerin und Verlegerin in Wiesbaden, und eine der drei Sprecher der Initiative, auf die aktuellen Pläne zum Bau eines Stadtmuseums an der Wihelmstraße ein. Sie habe sich schon seit den 1980er Jahren für ein Stadtmuseum in Wiesbaden eingesetzt, befürchte aber nun im Falle der Verwirklichung nach dem Konzept der derzeitigen Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz „drastische Einsparungen an anderen Stellen zugunsten eines Rennommierprojekts Stadtmuseum, das am Ende die Deutungshoheit in Geschichtsfragen beanspruchen könnte“, so Forßbohm. Das Schaffen von Zwangssituationen wie sie jetzt mit dem „bedingungsfreien“ Verkauf des stadtplanerisch wichtigen Grundstücks an der Wilhelmstraße an die OFB entstanden sei, sei typisch für PPP-Projekte, die als „alternativlos“ dargesellt würden. Dabei würden reale Alternativen, wie beispielsweise der vom Ortsbeirat Mitte eingebrachte Antrag, das Stadtmuseum im Alten Gericht zwischen Moritzstraße und Oranienstraße einzurichten, als Möglichkeit gar nicht geprüft und die Diskussion darüber tabuisiert. Kulturdezernentin Scholz müsse jetzt offenlegen, wie sie sich die Gegenfinanzierung der immensen Mietkosten von 2 Mio. Euro kalt und einer Steigerungsklausel von 1,5 % pro Jahr für das Stadtmuseum vorstelle. Es dürfe nicht bis zu den Haushaltsberatungen gewartet werden, wenn das Ja-Wort an den Investor schon gegeben sei. Außerdem müsse wie bisher ein Kostendeckel für das Stadtmuseum festgelegt werden.
Die Initiative will sich weiterhin mit den angesprochenen Themen beschäftigen und ihre Positionen in die Öffentlichkeit tragen. Stellungnahmen, Presseberichte und eigene Kommentare zu aktuellen Fragen der Stadtpolitik werden auf der Homepage der Initiative www.gemeinwohlhatvorfahrt.de veröffentlicht. Auch Beiträge der Referenten können dort eingesehen werden.